Interview für die Penthouse  
   

"Sex ist doch kein Lifestyle, sondern ein Grundrecht"

Interview: Heinz Lackner, Ende 2010, für das Februar-2011-Heft der Penthouse - wo allerdings aus all dem ein Artikel herausgekürzt wurde. Zu schade drum. Daher hier der vollständige Text.

Penthouse Februar 2011

 

Vom Lächeln der Pauline bis zu Fuck your Friends und Heiße Weihnacht: Wie hat sich Ihr Zugang zur erotischen Literatur von und für Frauen innerhalb der letzten 13 Jahre verändert?

Wahrscheinlich bin ich da betriebsblind und kann deshalb auf diese Frage nur schlecht antworten. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit sexuellen Themen, und um mich herum sind eigentlich auch nur Menschen, die sich für Sex interessieren. Ich merke das immer wieder, wenn ich harmlos und gut gelaunt auf einer Party ein Gespräch anfange mit dem Satz "Als ich neulich für eine Zeitschrift Sextoys getestet habe ...", und neben mir erstarrt jemand. Da verliert man wahrscheinlich ein bisschen den Blick für die allgemeine "Öffentlichkeit". Sie sehen doch auch den ganzen Tag nackte Nippel - das macht was mit einem, oder?

Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Ihre Form der sexuellen Darstellung (beide Geschlechter) - wird Derartiges heutzutage unverkrampfter angenommen als früher, oder bemerken Sie einen umgekehrten Trend?

Was ich bizarr finde, ist die Art und Weise, wie Erotik in der Medienlandschaft stattfindet. Auf der einen Seite wird alles immer abstruser (eine Jugendzeitschrift berichtete neulich im Blümchensound von den White Sessions einer Domina, bei denen sie ihren Kunden Magensonden und Blasenkatheter legt), und auf der anderen Seite darf man normale Dinge nicht aussprechen oder benennen. "Aber bitte nicht so extrem" ist eine Anweisung, die ich praktisch jedesmal bekomme, wenn ich anfange, für eine Illustrierte zu schreiben. Geradezu gruselig und einfach falsch finde ich es, wenn Erotik im Lifestyle-Ressort abgefeiert wird. Sex ist doch kein Lifestyle, sondern ein Grundrecht. Da gibt es keine Trends und keine Moden, da ist alles aufgeschäumtes Illustrierten-Geblubber. Vögeln ist zeitlos und keiner Mode unterworfen. Wer etwas anderes behauptet, will Hefte verkaufen, hat aber von Lust keine Ahnung.

Was sollte es denn Ihrer Meinung nach in Illustrierten geben?

Was ich spannend und lustig fände, wäre z.B eine Kolumne "Ich und mein Penis", in der ein Mann vom Leben mit seinem Schwanz berichtet. Frauen haben keinen Schimmer von Schwänzen, das ist wie beim Notebook, man kann das bestenfalls bedienen, aber warum es die Dinge macht, die es macht, und warum es manchmal ERROR anzeigt: keine Ahnung.

Fuck your Friends bezeichnen Sie selbst als Romantic Porn. Sozusagen die Geburtsstunde eines neuen Genres. Wie kam es zur Einbindung der "großen Gefühle" neben dem "Kerngeschäft" Sex?

Der Pornographie wird ja immer wieder vorgeworfen, dass keine echten Menschen mit nachvollziehbaren Handlungen und Gefühlen vorkommen. Fuck your Friends ist aber eine emotionale, dramatische Liebesgeschichte mit einem Beziehungsgeflecht, das alle Beteiligten an ihre Grenzen und darüber hinaus führt. Ihre Charaktere entwickeln sich, sie reagieren aufeinander und handeln sehr menschlich. Alles, was sie tun, ist begründet in ihrer Vergangenheit, ihren Wünschen und Unzulänglichkeiten. Das auszugestalten, hat mir viel Spaß gemacht, obwohl so etwas schwieriger zu schreiben ist als vier fröhliche Swinger, die sich sehen, geil finden und ficken wie die Karnickel. Darüberhinaus blende ich die Sexszenen nicht ab, wie es ein "normaler" Liebesroman tun würde. Es ist ja immer noch Pornographie. Es wird gevögelt in allen Varianten und Konstellationen, von hart bis zart, vom Paar bis zur Gruppe. Die Szenen sind lang und natürlich masturbationstauglich und verbalerotisch. Wen das stört, der soll Die Dornenvögel oder Ähnliches lesen, das sind auch intensive Liebesgeschichten, nur wird da niemand feucht.

Sind Sie von den überwiegend positiven und zum Teil euphorischen Kritiken zu Ihrem letzten Werk überrascht?

Nein, es ist ja ein saugeiles, gutes Buch. Es freut mich aber riesig, wenn Leser mir schreiben, dass sie diese Figur oder jene Szene besonders lieben.

Werden Sie dem "Romantic Porn"-Genre treu bleiben - oder bereiten Sie bereits etwas gänzlich anderes vor?

Ich langweile mich schnell, also muss immer etwas Neues passieren. Das Skurrile, Abgefahrene liegt mir schon am Herzen, denn vieles am Sex oder beim Balzen ist einfach nur komisch. Vielleicht wird das nächste Buch auch ein Thriller? Das würde mich auch reizen.

Sie geben selbst an, sachliche Fehler in Büchern zu hassen, und setzen daher auf intensive Recherche (etwa Pyrotechnik). Wie recherchieren Sie die sexuellen Aspekte Ihrer Bücher (Swinger, schweißtreibende Horizontal-Szenen etc.)? Wie viel Autobiographisches steckt in Ihren Werken?

Es steckt jede Menge Autobiographisches in meinen Büchern, nur werde ich nie verraten, was ich erlebt und was ich mir ausgedacht habe. Wenn ich etwas nicht kenne, aber darüber schreiben möchte, probiere ich es aus. Das ist das große Privileg an diesem Beruf, dass ich so viel fragen und entdecken und neu kennenlernen kann. Wo könnte ich sonst immer wieder lachen oder stöhnen oder private Obsessionen ausleben? Als Sachbearbeiterin einer Krankenkasse stelle ich mir das schwierig vor.

Und kam es durch die Profession Irinas (Burlesque) zur "Verbindung" mit Dita von Teese (immerhin findet sich auf Ihrer Homepage ein Link zu deren Seite)?

Burlesque hat mich schon lange begeistert, weil es eine sehr artifizielle Sinnlichkeit mit Humor verbindet. Ich mag den Stil, das Gestylte, das Spielerische und auch, dass es eine erwachsene Art von Erotik ist, sehr bewusst und durchdacht. Burlesque-Tänzerinnen können noch auftreten, wenn Stripperinnen schon längst von der Polestange in die Rente gerutscht sind. Ich habe noch nie verstanden, wieso Erotik meist assoziiert wird mit ganz jungen Mädchen, und auch für diesen Bitch-Look habe ich wenig übrig. Ein geknöpftes Korsett und Nahtstrümpfe finde ich viel aufregender als diese Kleinkindklamotten, aus denen die Mädels in den Musikvideos rausquellen. Dita von Teese kenne ich leider nicht persönlich, aber wenn ich in London bin, gehe ich gern in Burlesque-Clubs wie dem Pigalle oder der Volupte-Lounge.

Ein Kritiker schrieb über Fuck your Friends: "Wenn Frauen Porno wollen, dann wohl eher so". Stimmen Sie dem inhaltlich zu? Sehen Sie sich selbst als "Porno-Autorin" für Frauen? Und: Wollen Frauen überhaupt Pornographie (wird im Allgemeinen eher als männliche Domäne bzw. männliches Verlangen kategorisiert)? Falls ja, wo liegt der Unterschied in Pornographie für Frauen und Männer? Und ist der Porno-Markt für Frauen nicht doch etwas "unterernährt"?

Es wäre das Allergrößte für mich, wenn ich die Frauen für Pornographie begeistern könnte, die dieses Genre bisher eher gemieden haben. Es ist schade und für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso man eine Lustquelle komplett aus seinem Leben ausschließt, nur weil es da unheimlich viel Schrott gibt. Die Alternative zu schlechter Pornographie ist doch gute und nicht gar keine. Frauen, die glauben, dass sie von Pornographie generell nicht erregt werden, haben wahrscheinlich weder derartige Filme gesehen oder Bücher aus dem Giftschrank gelesen. Irgendwas gibt es immer, das einen anmacht, und ich für meinen Teil suche so lange, bis ich das auch finde. Seine Libido muss man füttern und hätscheln, sonst ist sie beleidigt und schmollt. Das Ganze war ja ein Experiment: Kann es etwas geben im Niemandsland zwischen scharfer Pornographie und großen Gefühlen? Kann das funktionieren? Selbst mein Verlag war da skeptisch. Die Antwort ist aber ganz klar: Ja, zwischen Höschen und Hirn ist das Herz, und das will beides.

Ab und an ist zu lesen, dass insbesondere Männer von Ihrem Gebrauch von direktem, unverblümtem Vokabular überrascht seien. Überraschen Sie derartige Wortspenden im Gegenzug? Wie "dreckig" darf eine Frau über Sex schreiben und sprechen, um nicht die Grenze zur unerotischen Vulgarität zu überschreiten? Gibt es Sex und Körperteile betreffende Formulierungen, die Sie ablehnen?

Über Sex zu schreiben, vor allem, wenn es animierend sein soll und nicht nur informativ, ist immer eine Gratwanderung. Was der eine schon abstoßend vulgär findet, ist für den anderen schwiegermuttertauglicher Smalltalk. Bei Pornographie kann man es niemals allen rechtmachen. Ich orientiere mich an meinem persönlichen Geschmack. Erklären lassen sich Vorlieben für einzelne Worte nicht. Ich mag "ficken" gern, "bumsen" aber nicht. "Muschi" finde ich niedlich, "Mumu" eher albern. Als ich gerade mit Sex anfing, sagte mal ein Schrank von einem Mann zu mir "Spürst du meinen Kleinen?" Wenn ich daran denke, rollen sich mir heute noch vor Peinlichkeit die Zehennägel hoch.

Sie geben an, leidenschaftlich zu reisen. Wo findet man Ihrer Meinung nach erotische Leckerbissen, welche Länder und Städte sind noch echte Geheimtipps und warum? Wo geht es dagegen äußerst unerotisch zu - und welche Locations haben Sie noch vor, in künftige Bücher und Geschichten einzubauen?

Bevor ich hier vom Fremdenverkehrsamt New York gelyncht werde oder nicht mehr einreisen darf, möchte ich vorausschicken, dass ich Manhattan liebe. Es ist eine tolle, spannende, superschöne Stadt, in der ich mir durchaus vorstellen kann zu leben. Aber: Ich hatte dort so wenig Sex wie nirgendwo sonst. Als Romantik-Ziel ist der Big Apple völlig ungeeignet. Morgens will man möglichst schnell los, weil diese laute, verführerische, wahnsinnig interessante Stadt wartet. Mittags einen Quickie einzuschieben ist nicht drin, weil man sich immer zwei Stunden vom Hotel entfernt befindet. Und abends ist man so erledigt von den durchschnittlichen zehn Kilometern, die man als Touristin gehend zurücklegt, von dem Lärm und den unendlichen vielen Eindrücken, dass ich nur noch das Licht ausschalten und meine Ruhe haben wollte. Seitdem verstehe ich, wieso Flitterwochen da gebucht werden, wo es außer Sand, Sand und Sand nichts gibt. Sehr sexy fand ich dagegen Barcelona, vor allem das arabische Bad, das ja auch in Fuck your Friends eine Rolle spielt. Und dann kommt es meiner Libido weniger auf die Stadt an als auf das Hotel, ich liebe Hotels.

Haben Sie da einen Geheimtipp?

Mein derzeitiger Favorit ist das Corinthia in Budapest, das sicher auch mal in einer Geschichte vorkommen wird. Wenn mein Leben als Pornoautorin nicht so nett wäre, wäre ich zu gern Hoteltesterin. Das, was meiner Meinung nach noch als Kundschaft entdeckt werden müsste, sind Pärchen mit einem Faible fürs Sinnliche. Wieso gibt es in den Wellness-Etagen von Luxushotels eigentlich keine Tantra-Abteilung? Das müsste man gar nicht groß als Sex-Hotel rausstellen, einfach eine Yoni-Massage zwischen die HotStone und die Lomi Lomi, das fände ich gut.

Eine profane Frage: Sie gelten als Deutschlands erfolgreichste Porno-Autorin. Wie definiert man nun guten Sex (aus der Frauenperspektive)? Lässt sich das in einem oder einigen Sätzen zusammenfassen - oder hängt das von weit diffizileren Faktoren ab?

Zunächst einmal ist es mir wichtig klarzustellen, dass es "die Frauen" nicht gibt und damit auch nicht "den einen guten Sex". Frau sein ist keine zoologische Gattung. Wir werden nicht alle beim gleichen Schlüsselreiz wuschig wie die Paviane und halten unser geschwollenes Hinterteil hoch. Lust ist das Individuellste überhaupt. Ich denke aber, dass es schon mal gut ist, wenn alle Beteiligten etwas davon haben. Ansonsten kann ich nur für mich persönlich sprechen: Ich möchte Orgasmen, Punkt. Da kann es kurz und ruppig sein oder die spirituelle Tantra-Session. Ob Männer oder Frauen, zu zweit, zu dritt oder allein, ob lautlos oder heiser gebrüllt, französisch oder a tergo, mit Spielzeug oder ohne – das ist dann alles zweitrangig. Schön ist, wenn’s schön ist. Öfter schön ist noch schöner.

Womit verscherzt Mann es sich bei Frau?

Was mich bei einem Mann nervt, ist, wenn er sich so verhält, als wäre er ganz allein auf der Welt, wenn er also z.B. ein Fischbrötchen mit Dill isst, bevor er mich küssen will, im Kino Plätze in der Mitte bucht, obwohl ich es hasse, in der Mitte zu sitzen, oder sich im Restaurant ein Getränk bestellt, ohne mich nach Wünschen zu fragen. Wenn sich einer also keine Gedanken macht, dass es mich auch noch gibt, da werde ich pampig.

Wie reagieren Männer im Allgemeinen auf eine Frau, die offen mit dem Thema Sex umgeht und dieses ungeniert anspricht?

Beschwert hat sich noch niemand und mir den Mund verboten auch nicht. Allerdings würde ein Mann, der verkrampft herumeiert und "da unten" sagt, auch nicht in mein Beuteschema passen. Ich liebe lustbetonte, sexuell entspannte Männer, die souverän genug sind, sich auch mal über sich selbst lustigzumachen und die nicht bei jeder kleinen Panne hysterisch werden. Manchmal merke ich aber, wenn ich jemanden ganz frisch kennenlerne, dass meine Direktheit schon einschüchtert. Bleibt das so, verabschiede ich mich schnell, denn ein Mann, der Angst vor mir hat, ist nichts für mich. Die meisten kriegen bald spitz, dass es erstens Spaß macht, offen über Sex zu sprechen, und zweitens die gemeinsamen Aktivitäten ungemein erleichtert. "Komm, leck mir die Muschi" ist einfach viel eindeutiger als "Hm, du könntest mal, ach du weißt schon, das von neulich, ja?" Zwischen Männern und Frauen gibt es genug Missverständnisse, die brauche ich nicht auch noch im Bett.

Wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, Ihre literarische Karriere diesem Bereich zu widmen?

Berufliche und private Vorlieben hängen bei mir eng zusammen. Ich schreibe nicht nur über Sex, ich bin tatsächlich Verbalerotikerin. Und die meiste Pornographie, die es gab, als ich Mitte der Neunziger damit anfing, war grottenschlecht, humorfrei oder stereotyp, und zwar von männlicher wie von feministischer Seite. Chauvies und viele Feministinnen verbindet in meinen Augen die konsequente Spaßfreiheit. Deshalb dachte ich: Da mach ich's mir doch lieber selbst. Angefangen hat also alles als literarische Selbstbefriedigung.

Was können wir von Sophie Andresky in naher Zukunft erwarten? Welche Projekte stehen an, worum wird es gehen - und wann wird es käuflich zu erwerben sein?

Pünktlich zur Adventszeit werde ich als bekennende Lametta-Pute wieder eine Wichtelüberraschung bescheren: eine eher schrille als besinnliche Geschichte bei Haffmans & Tolkemitt, die auf einem Kreuzfahrtschiff spielt. Die schreibe ich gerade, und so viel kann ich schon verraten: Erotische Ekstase ist nicht einfach, wenn ein Huhn an den Strapsen zupft. Außerdem steht eine Fortsetzung von Echte Männer an, eine Zusammenfassung der Kolumnen aus Penthouse und joyclub.de. Da hoffe ich doch sehr, dass sich Jürgen von der Lippe wieder scheckig lacht, bis sein Busen unterm Hawaihemd bebt. Und natürlich brüte ich mit einer Pobacke auch schon den nächsten Roman aus, aber das ist wie bei den orangeweißen Schokoladeneiern: ganz geheim.

   
 
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